Weder Cabrio noch Coupé

Als Porsche 1965 "das erste Sicherheitscabriolet der Welt" vorstellte, war die Welt gespannt auf ein Auto, das weder Cabriolet noch Coupé, weder Hardtop noch Limousine, sondern etwas Neues war. 50 Jahre und zig Generationen später durfte ich Bekanntschaft machen - und womöglich Freundschaft schliessen.
Wenn das Zuffenhausener Porschemuseum ein paar seiner Museumsfahrzeuge für Testfahrten in die Schweiz befördert, will das schon was heissen: Porsches Targa feiert seinen 50. Geburtstag und einige faszinierte Auto-Journalisten mit ihm. Die Geburtstagsreise führte die deutschen Prachtkerle ins entzückende Ascona am Lago Maggiore, wo die formschönen Autos nicht nur die promenierenden Feriengäste begeisterten, sondern auch viele Einheimische und Touristen entlang der schmalen, teilweise holprigen Strässchen der zuweilen unberührt-wilden, dann wieder lieblichen Täler des Tessins und Italiens. Eine Reise in die Vergangenheit – aus zweierlei Sicht.
Kommunikation?
Ein Muss Die dank ihrer einzigartigen Form unverkennbaren Fahrzeuge, mit denen wir die 200 Kilometer lange Spritztour unter die Räder nahmen, sind der Porsche 911 2.0 Targa (1967), der Porsche 911 SC Targa (1981), der Porsche 911 Carrera Targa (1993) und der neue Porsche 911 Targa 4 GTS. Wer auf welches Modell abfuhr, war schnell klar: Die erfahrenen Herren stürzten sich beherzt auf die älteren Generationen, mein Herz schlug für das jüngste Exemplar mit neuzeitigem Komfort. Nichtsdestotrotz wurde auch ich dazu angehalten, Bekanntschaft mit den älteren Modellen zu machen – retro-unerfahren und verwöhnt von viel hilfreicher Elektronik, war es kein leichtes Unterfangen für mich. Der 1981er schnaubte und fauchte mich an, als ich am Berg stehend versuchte, seine PS wieder zur Weiterfahrt zu motivieren, während ich wiederum beim Anblick eines dicht hinter mir stehenden Wagens Blut schwitzte. Nicht gerade die optimalsten Bedingungen für den Beginn einer innigen Freundschaft. Wer weiss... Doch nach ein bisschen Routine und geübter Kommunikation zwischen Mensch und Fahrzeug verstanden wir uns schlussendlich ziemlich gut. Bewegt man sich in einem der älteren Fahrzeuge fort, wird einem rasant bewusst, wie schnell Design, Technik und Fortschritt voranschreiten. Wer erinnert sich noch an die rudimentär zu bedienenden Temperatur- und Lüftungsregler, an Instrumente ohne jeglichen Schnickschnack, die karo-gemusterten plüschigen Sitzpolster, die knorrigen Scheibenwischer- und Blinker-Hebel? Erinnerungen werden wach, mein Gefühl für "es war einmal..." auch, ganz analog und kaum digital.
Schutzschild Targa
In der hintersten befahrbaren Ecke des Verzasca-Tals angekommen – im schmucken Dörfchen Sonogno – und mit Tessiner Spezialitäten eingedeckt, geht’s mit ein bisschen Geschichte weiter. Wir lernen, dass die Autoindustrie in den 60er-Jahren in den USA stark verunsichert war. Wieso? Seitdem der Verbraucherschützer Ralph Nader den mangelnden Insassenschutz in Cabriolets kritisiert hatte, war die passive Automobilsicherheit in aller Munde. Einige amerikanische Hersteller hörten sogar auf damit, ihre offenen Fahrzeuge zu produzieren. Ferdinand Alexander Porsche jedoch gab nicht klein bei, zeigte sich innovativ und integrierte kurzerhand den aus dem Rennsport bekannten Überrollbügel. Mit seinem herausnehmbaren Faltdach und der herunter klappbaren Heckscheibe war der Targa sehr wandlungsfähig und bot seinen Insassen vier Varianten des Offen- und Geschlossenfahrens. Bei der Bezeichnung des neuen Modells spielte Porsche auf den Schutzeffekt des Edelstahl-Bügels an: so erinnert der Name "Targa" an Porsches Erfolge beim legendären sizilianischen Langstreckenrennen Targa Florio, bedeutet übersetzt aber auch „Schild“. Ein Cabrio mit Schutzschild also. Was damals als Sicherheitsaspekt akzeptiert und geschätzt wurde, ist heute nicht mehr wirklich relevant, sorgen die serienmässigen Cabriolets doch alle für sicheres offenes Fahren. Die Frage lautet viel mehr: Mag man den Wagen gerade wegen dieser besonderen Optik?
Um Erfahrungen reicher
Das Privileg, solch schöne und alte Modelle fahren(lernen) zu dürfen, hat erneut bewiesen, dass Autos für viele Menschen viel mehr als nur Fortbewegungsmittel sind, und dass Porsche mehr als einfach eine Automarke ist. Die Zuffenhausener und ich – wir bleiben Freunde.
Kommentar schreiben